Beitrag, Deutsch, 7 Seiten, Internationale Politik
Autor: Oliver Müller
Herausgeber / Co-Autor: Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
Erscheinungsdatum: 01.10.2006
Quelle: Internationale Politik (Fachzeitschrift)
Seitenangabe: 39-45
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Indien ist der Überraschungs-Star aus Asien. Verspätet reiht es sich in eine Kette asiatischer Erfolgsgeschichten ein, die vor einem halben Jahrhundert mit Japan begonnen hat. In seinem Windschatten exportierten sich später Länder wie Südkorea und Taiwan reich, bevor sie den Stab exponentiellen Wachstums an Südostasien weiterreichten. Auch Chinas atemloser Boom bildet nicht länger den krönenden Abschluss dieser Entwicklung. Das Reich der Mitte, die größte wirtschaftliche Erfolgsgeschichte unserer Zeit, muss sich das Rampenlicht fortan mit Indien teilen.
Die Wucht von über einer Milliarde Indern, die sich in die Weltwirtschaft eingliedern und dem Kapitalismus in die Arme werfen, verleiht Asien zusätzliches Gewicht. Indiens Aufstieg gibt den letzten Ausschlag für einen Paradigmenwechsel: Im 21. Jahrhundert verlagert sich das weltwirtschaftliche und damit auch das geopolitische Gravitätszentrum vom Atlantik in den Pazifik. Dort wird klarer und früher als in Europa erkannt, wie sich die Waagschalen der globalen Ordnung neu justieren: "Der parallele Aufstieg Chinas und Indiens ist das bestimmende Ereignis dieses Jahrhunderts", meint Raymond Lim, Stabschef von Singapurs Premierminister Lee Hsien Loong. "Beide werden zu ökonomischen und strategischen Mächten mit globalem Gewicht. Das verändert die Kräftebalance in der Welt."
Verwandelt sich Indien, lange der behäbige Elefant unter Asiens quirligen Volkswirtschaften, wirklich in einen neuen Tiger? Das mag vielen unglaubwürdig erscheinen, die das Land bereist haben. Schließlich fällt der Strom selbst in der Hauptstadt ständig aus. Straßen sind von Schlaglöchern perforiert, Häfen verstopft, Flughäfen schäbig, Slums und Bettler prägen das Bild der Städte. Die Wirtschaft ist nach wie vor überreguliert und leidet unter dem Würgegriff einer überbordenden Bürokratie. Auch der Staatshaushalt gibt Grund zur Sorge: Dort klafft ein chronisches, großes Defizit, das der öffentlichen Hand Investitionskraft raubt. Indiens verarbeitende Industrie erlebt zwar eine Renaissance in wissensintensiven Branchen wie Maschinen- und Anlagenbau, Autoteilen oder Pharma. Doch greift diese bislang nicht über auf die arbeitsintensive Massenfertigung; nur sie kann einer Heerschar Ungelernter höhere Einkommen und sozialen Aufstieg bieten. Besonders darbt die Landwirtschaft, von der direkt und indirekt 600 Millionen Menschen abhängen. Auch soziale Indikatoren alarmieren: Jeder Dritte Inder hat weniger als einen Dollar zum Leben, genauso viele sind Analphabeten, und jedes zweite Kind ist unterernährt.
Aber vergleicht man Indien mit China Anfang der neunziger Jahre, ähnelt seine Ausgangsposition heute auffällig jener des Rivalen damals...
Länderthemen
IN, New Delhi
Geschäftsführer (CNC India Pvt. Ltd.)
AHK Deutsch-Indische Handelskammer Indo-German Chamber of Commerce
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